Nicht nur meine Eltern waren von der Vertreibung aus ihrer Heimatstadt Asch im Sudetenland Anfang 1946 betroffen, auch unzählig andere Familien ereilte das gleiche Schicksal.
Ascher Hainbergturm in Eddersheim/Main
Mit leeren Händen in der fremden neuen Heimat angekommen, war es das höchste Familienziel, wieder ein eigenes Dach über dem Kopf zu haben, wie man es von daheim gewohnt war.
Was blieb, war einzig die Erinnerung. So ergriffen meine Eltern im Jahre 1954 die Initiative, mit dem Bau eines neuen Hauses in Eddersheim/Main anzufangen. Als die Fertigstellung und die Gestaltung der Außenfassade immer näher in den Blickpunkt rückten, fasste mein Vater den Entschluss ein Motiv des Ascher Hainbergturm am neuen Haus anzubringen.
Als gelernter Schablonen- und Skizzenmaler übertrug er nun von einer Postkarte die Proportionen des Ascher Hainbergturm auf eine 3m große Schablone aus Pergamentpapier. Dann erweiterte er das Motiv mit seinen eigenen Vorstellungen. Nachfolgend wurden die Konturen auf der Schablone gerädert, d.h. mit kleinen Löchern versehen, um später das schwarze Pauspulver auf dem Untergrund sichtbar werden zu lassen.
Doch wie ist nun der Ascher Hainbergturm in die Hauswand gelangt? Dazu musste die Verputzerfirma mit ins Boot, denn es sollte ein Relief entstehen, dass glatt mit dem Außenputz abschließen musste.
Zuerst wurden die vermauerten Hohlblocksteine auf der Fläche, in der das Motiv in die Hauswand ein-gelassen werden sollte, ca. 10 cm tief per Hand mit Hammer und Flachmeißel ausgestemmt. Um dem Bild später die Perspektive geben zu können, wurden jetzt verschiedenfarbige Putzschichten in der Reihenfolge weiß, dunkelbraun, hellbraun und weiß, jeweils ca. 2 cm stark aufgetragen. Die letzte Putzschicht war geglättet, um das Motiv mit Hilfe der Schablone aufzupausen.
Nachdem die Putzschichten am nächsten Tag angetrocknet waren, begann er mit einem scharfen Messer die Putzschichten unterschiedlich tief einzuschneiden und die nicht mehr benötigte Schicht wegzukratzen, um so dem Motiv die notwendige Tiefe geben zu können. Nach Beendigung dieser Tätigkeit wurden die Ränder des Bildes mit dem Hausputz angeglichen.
Jetzt endlich war wieder der stolze Blick zurück in die verlorene Heimat allgegenwärtig.
Für die damalige Zeit eine Revolution im Gestalten von Gebäudefassaden. Es war das einzige Haus in Eddersheim, dass mit einem derartigen farblichen Putzrelief, dazu noch mit dem Motiv des Ascher Hainbergturms, versehen war. Außer den Vertriebenen kannte ja niemand im Dorf die Stadt Asch, geschweige denn wo sie zu finden ist. Schnell hatte sich dies herumgesprochen. Und es blieb nicht aus, das viele Spaziergänger am Sonntag staunend vor dem Haus stehen blieben und sich fragten, wie hat „der Kunzmann“ das wohl gemacht.
Ascher Hainbergturm in Hünfelden-Dauborn
Gut 60 Jahre später und nachdem ich beruflich nicht mehr aktiv bin, wurde ich vom Virus Ahnenforschung infiziert. Dabei wurde ich mit der Frage konfrontiert, wo befinden sich eigentlich meine Wurzeln und wie und wo lebten meine Vorfahren?
Die Spurensuche meiner Familie, führte mich dann von Hessen über Asch bis auf den Kamm des Erzgebirges, auf eine von dunklen Fichtenwäldern umgebene Hoch-fläche, in das Dorf nach Sauersack.
In den wenigen Erzählungen meiner Eltern stand jedoch der Hainbergturm immer im Mittelpunkt.
So entschloss ich mich, mit Hilfe von neuen Softwaretechniken, das Eddersheimer Hainbergmotiv von meinem Vater zu digitalisieren und in eine Vektorgrafik umzuwandeln.
Wie es der Zufall so wollte, fiel mir während des Neuanstrichs der Fassaden meines eigenen Hauses in Hünfelden-Dauborn im Frühjahr 2012, eine freie weiße Hauswand ins Blickfeld, die bis dahin keine große Bedeutung für mich hatte. In diesen Moment war mir klar, hier gehört der Ascher Hainbergturm hin.
Für die Art, wie mein Vater das Motiv in den Wandputz eingravierte, war es jedoch zu spät. Die Lösung kam, wie so oft, über Nacht. Das Resultat war ein Druck auf Klarsicht Acrylglas. Das Motiv wurde im Anschluss ausgefräßt und mit Distanzhaltern an der Hauswand befestigt wurde.
In der heutigen Zeit ist dies nun keine neue Revolution mehr. Doch möchte ich mit dieser Geschichte die Erinnerung an meine Eltern Karl und Helene Kunzmann und deren Heimatstadt Asch im Sudetenland, auch für die nächste Generation, wach halten.
Hallo,
bin auf der Such nach dem Hainbergturm auf ihre Hompage gelandet.
Auch meine Eltern sind aus Asch vertrieben worden und bereits verstorben.
Eines der wenigen Dinge die aus dem Nachlass noch da sind, ist ein gemaltes Bild vom Hainbergturm. Vll. wäre ja auch noch im Haus ein Stück Wand für ein Bild vom Hainbergturm frei.
…. und meine Taufpatin war eine geborene Kunzmann (-:
Mit freundlichen Grüßen
Ernst Künzel