Magnetisch zog um das Jahr 1930 die aufstrebende Textilindustrie in der Stadt Asch (heute: Aš / Tschechien) verstärkt Leute aus den umliegenden landwirtschaftlich geprägten Regionen an – aber auch aus dem Bergbau im westlichen Erzgebirge, wo die Verdienstmöglichkeiten nicht mehr vorhanden waren.
Erstmalig wird Richard Kunzmann, Sen. [*19.7.1870 +9.2.1935] als Fleischer im Adressbuch aus dem Jahr 1906 in der Stadt Asch registriert. Das unten abgebildete Haus hatte die Konskriptionsnummer 959 und war das Eckhaus in der Alleegasse (Sadova) Nr. 25 zur Morgenzeile (Jitrini) 959.

Gelernt hat er das Fleischerhandwerk oder wie man früher sagte, die Fleischhackerei, in seinem Geburtsdorf Sauersack (heute Rolava), im Erzgebirge. Das Dorf Sauersack wurde Mitte der 1950ziger Jahre dem Erdboden gleichgemacht und existiert nicht mehr.
Im Erdgeschoß befanden sich der Verkaufsraum sowie Räume mit Maschinen zur Fleisch- und Wurstverarbeitung. Im darüber liegenden Stockwerk wurden die Wohnräume der späteren Großfamilie Kunzmann eingerichtet. Mit der Vertreibung der deutschen Bevölkerung nach dem verlorenen 2. WK wurde das Haus dem Verfall preisgegeben und dem Erdboden gleichgemacht. An dieser Stelle hat man später Kfz-Garagen errichtet wie auf dem folgenden Foto aus dem Jahr 2009 ersichtlich ist.
Im Laufe der Zeit entwickelte sich die Fleischhackerei, so wurde die Metzgerei damals bezeichnet, erfolgreich für die gesamte Familie. Dies führte dazu, dass im Jahre 1928 ein Haus von den Eheleuten Wilhelm und Marie Küspert durch Richard Kunzmann, Sen. für 200.000 Cz-Kronen in der Oberen Hauptstraße (Hlavni) mit der Konskriptionsnummer 1653 zusätzlich gekauft werden konnte. Der Kaufvertrag wurde am 4.7.1928 in Eger von beiden Parteien unterzeichnet und ist im Original noch vorhanden.
Neben dem Haupthaus in der Alleegasse 25 / Morgenzeile 959 wurde nun im Erdgeschoß des neuen Hauses eine Fleischerei Filiale eingerichtet, die oberen Stockwerke dienten als Wohnräume für die durch Heirat größer gewordene Familie.
Den Erzählungen nach hat Richard Kunzmann, Sen. hauptsächlich die vielen Gaststätten und Hotels in der Stadt Asch mit Fleisch- und Wurstwaren beliefert. Auch beim traditionellen „Ascher Vogel Schießen“ war die Fleischerei Richard Kunzmann mit ihren Bratwürsten ein gefragter Lieferant und mit eigenem Bratwurststand vertreten. Im Schaufenster hatte man damals eine Reklametafel angebracht, auf der folgender Werbespruch stand:
„Willst Du dich mit Schmeling messen, musst Du Kunzmanns Bratwurst essen“
Am 12. Juni 1930 war dann die Sensation perfekt: Max Schmeling wird in New York Box-Weltmeister im Schwergewicht.
Anfang der 1930ziger Jahre übertrug Richard Kunzmann, Sen. [*19.7.1870 +9.2.1935] das Fleischergeschäft auf den ältesten Sohn Richard Thomas Kunzmann, Jun. [*10.12.1905 +4.4.1956]. Lehrmeister war sein Vater, der ebenfalls Mitglied im Prüfungsausschuss war. Sein Gesellenbrief ist erhalten geblieben. Eine Weiterbildung zum Fleischermeister wurde anschließend mit Erfolg abgeschlossen.



Gleichzeitig war Richard Thomas Kunzmann, Jun. [*10.12.1905 +4.4.1956] auch Viehhändler im Umkreis von ca. 100 Km rund um Asch tätig. Auch damals waren diese weiten Wege zu den Landwirten und Viehzüchtern nur mit dem Auto zu bewältigen. Der Bedarf an Fleisch- und Wurstwaren stieg mit Zunahme der Bevölkerung in der Ascher Textilindustrie enorm an.
Somit war Richard, Jun. der Erste unter den „Kunzmännern“ der zum damaligen Zeitpunkt einen Führerschein besaß und er war derjenige, der ein Auto für die Fleischerei gekauft und sein eigen nennen konnte.

Auf der rechten Seite ist nun der notwendige Gewerbeschein der Fleischerei Richard Kunzmann von den tschechischen Behörde abgebildet.
Ein Original-Fleischerhacken aus dem Geschäft ist noch vorhanden.

Geschlachtet selbst wurde im Ascher Schlachthof wobei die Schweinehälften mit einem offenen von Hunden gezogenen Handkarren, der von zwei Bernhardinerhunden in die Alleegasse zur Verarbeitung gezogen wurden. Dies wäre heute undenkbar und ein Aufschrei des Entsetzens würde durch die Medienlandschaft gehen.



Während des 2. WK musste seine Frau Maria, das Fleischergeschäft aufrechterhalten, da Richard, Jun. zum Kriegsdienst verpflichtet wurde. Es war eine schwere Zeit für sie.




In den 1920ziger Jahren war Richard Kunzmann Sen. Vorsitzender der Fleischerinnung.


„Fleischergesellen Brüderschaft“
Asch und Umgebung
Hoch lebe das edle Handwerk der Fleischer
„Eher soll die Welt verderben,
als vor Durst ein Fleischer sterben“
1905 – 1930
Bildquellen:
- Hubert Kunzmann, 65597 Hünfelden
- Helga Pertl, geb. Kunzmann, 73033 Göppingen
- Museum Asch: https://www.muzeum-as.cz/narodopisne-muzeum